Langstreckentest 2021

Nachdem das Jahr radmäßig bisher sehr zäh verläuft –langer, schneereicher Winter, diverse private und berufliche Herausforderungen seien als Gründe identifiziert – soll Ende Mai / Anfang Juni etwas Butter an die Fische, wie es auf der Langstrecke worklich aussieht. Sonst hatte man um diese Zeit schon den Spreewald und das Osterzgebirge in den Beinen, corona-bedingt sind die Veranstaltungen jedoch ausgefallen bzw. als individuelle Variante im Angebot. Als Referenz-200er mit mehr als 2.000 Hm bietet sich die Runde ins Isergebirge an.

Bei Oberseifersdorf kurz vor Zittau, im HG Jeschkenkamm und Lausitzer Gebirge.

Effiziente Strecke

An der Streckenplanung wird dieses Mal etwas gefeilt, es soll mindens das Wittighaus erreicht und der Rückweg überlebt wird. Für letzteren braucht man nicht viel zu machen, die Strecke vom Wittighaus hinab bis Friedland und via Ostritz und Bernstadt auf dem Eigen ist einfach schon sehr perfekt.

Auf der Hinstrecke gibt es mehr Potential zur Einsparung, die Strecke über das Lausitzer Gebirge ist sehr schön und sicher vom Erlebniswert die erste Wahl, jedoch mit steilen Rampen und einem Mehr an Höhenmetern bespickt. Das muß momentan leider ausfallen. Die direkte Route nach Zittau via B 96 ist völlig erlebniswertlos und keine Option. Bleibt nur noch eine Linie über Lawalde und Herrnhut mit zehn Kilometern B 178 bis Zittau. Diese Strecke soll es dann auch werden.

Ab Zittau soll es auch neu kurz durch Polen gehen und über Burg Grafenstein (Grabštejn) nach Weißkirchen an der Neiße (Bílý Kostel nad Nisou). Dann ein Stück Neiße-Radweg bis Kratzau (Chrastava).

Radweg #22

Radweg übers Isergebirge.

Radweg #22 verbindet Kratzau an der Neiße (Chrastava) mit Böhmisch Petersdorf (České Petrovice) im Adlergebirge und verläuft auf tschechischer Seite des Sudetenkammes. Von der Neiße bis Klein Iser soll dieser Weg gefahren werden, da er viele interessante Impressionen bietet und zudem über Abschnitte verläuft, die für den motorisierten Verkehr gesperrt sind.

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Warm und abends Gewitter…

… sagt die Wettervorhersage. Es geht morgens bei Sonne und leichtem Südwind los. Durchs Cunewalder Tal macht sich der Wind nicht groß bemerkbar. Am oberen Ende des Tales und weiter bis Zittau nimmt der Einfluß stärker zu. Das Zehn-Kilometer-Stück ab Herrnhut auf der B 178 verläuft komplett im Gegenwind. Zudem ist der LKW-Verkehr ab Oberseifersdorf nervig. Nebenstrecken machen aber in dem Bereich wenig Sinn und verlängern die Tour erheblich. Erste kurze Pause ist auf einem Hügel bei Oberseifersdorf, KM 42. Der Blick zum Lausitzer Gebirge und Jeschkenkamm ist nett.

Durch Zittau geht es dann recht schnell. Das polnische Kleinschönau (Sieniawka) ist gut ausgeschildert. Direkt hinter der Grenze führt ein kleiner Pfad am Ufer der Neiße bis zum anderen Grenzübergang von Zittau, wo die Straße Richtung Grottau (Hrádek nad Nisou) beginnt. Der Pfad ist nur bei Trockenheit zu empfehlen.

Eine zweite Pause ist bei Burg Grafenstein (KM 59) nötig, es geht mehr oder weniger um das Ablegen des langen Trikots.

Zusammenfluß von Görsbach (links) und Lausitzer Neiße. Viadukt der Bahn Reichenberg – Zittau (Bj. 1859).

Kurz vor Kratzau geht es an den Neißeradweg, der hier neu ans in Fließrichtung rechte Neiße-Ufer und den Görsbach (Jeřice) verlegt wurde. Dadurch spart man sich später einige Kilometer in der Stadt und auch Höhenmeter.

Neuer Radweg am Ufer des Görsbaches.

Mit leichter Steigung geht es ab Kratzau das Tal des Görsbaches hinauf. In Einsiedel im Isergebirge (Mníšek) muß wieder ein Stück stark befahrene Straße benutzt werden, bevor es – wieder entlang des Görsbaches – ins Isergebirge geht. Praktisch ist alles östlich der Straße I/13 Landschaftsschutzgebiet des Isergebirges, geologisch beginnt das Gebirge bereits am Ostufer der Lausitzer Neiße nördlich bei Zittau.

In Buschullersdorf (Oldřichov v Hájích) beginnt bei KM 80 der wirklich gebirgige Teil der Tour. Der Radweg zweigt von der Talstraße in einen asphaltierten Waldwirtschaftsweg ein und geht steil bergan. Vierhundert Höhenmeter werden auf sieben Kilometern erklommen. Der Trainingsrückstand wird hier deutlich aufgezeigt. Auf den nächsten zehn Kilometern bis zum höchsten Punkt der Tour – 990 m am Berg Kneipe (Na Kneipě)– steigt es nur noch um zweihundert Meter. Auf der gesamten Strecke von Buschullersdorf hier hoch trifft man keinen Menschen, beliebte Aussichtspunkte, wie »Schöne Marie« (Krásná Maří; 900 m) kann man in Ruhe genießen.

Horská stanice Knajpa.

Erst an der Berghütte »Kneipe« (Horská stanice Knajpa) trifft man ein paar Leute. Wie schon letztens wird die Bergankunft – höher wirds nicht – mit einem alkoholfreien Birrel begossen, die nach Süden und Westen grandiose Aussicht genossen und alles sacken gelassen. KM 97!

Klein Iser: 13 km, Wittighaus 6 m.

Die Kondition reicht nun auf jeden Fall bis Klein Iser, die ungefähr fünfzehn Mehrkilometer kann ich in Kauf nehmen. Bis zur Wittigpaß-Straße geht es flott auf Asphalt hinab, nach Querung derer führt ein fester Sandweg schnurstracks bis ins Dörfchen Klein Iser, genauer gesagt bis zum Parkplatz am südlichen Rand. Außer für Anlieger ist im Ort kein motorisierter Verkehr erlaubt.

Klein Iser: Blick von Süd nach Nord.
Und in die Gegenrichtung.

Obwohl weit vor der Saison ist einge Gastronomie geöffnet und recht gut besucht, man kann sich niederlassen und wird am Platz bedient. Ich fahr jedoch weiter zur Paßhöhe und will ins Wittighaus einkehren – wie immer. Vorher gibt’s noch einen kurzen Halt am Misthaus.

Misthaus mit Narzissen-Blüte im Juni!

Langsam Hunger verspürend geht es dem Wittighaus zu. Die Corona-Pandemie hat man zum Umbau genutzt bzw. ist noch dabei, der Biergarten befindet sich jetzt auf der Ostseite hinter dem Haus und eine Etage tiefer. Im nach Osten ebenerdigen Untergeschoß kann man sich Getränke und Speisen ordern. Es gibt für mich wie immer die Obstknödel und eine Halbe Kozel.

Gedeck »Langstrecke«.

Wittighaus.

Gut gesättigt geht es auf den ca. neunzig Kilometer langen Rückweg, die ersten dreißig davon gewohnt entspannt der Wittig entlang hinab bis Friedland i. B.

Ab Friedland i. B. (Frýdlant v Čechách) geht es dieses Mal den direkten Weg nach Ostritz, d. h. eine steile Rampe im nordwestlichen Stadtgebiet hinauf auf eine offene Anhöhe. Die verwinkelte Strecke ist schlecht zu finden, daher bin ich sonst immer einen kleinen Umweg Richtung Westen gefahren. Ebenso sparte man sich einige Höhenmeter.

Isergebirgsblick bei Friedland i. B.

Auf furchbar schlechtem Asphalt geht es wieder hinab ins Wittigtal bei Böhmisch Weigsdorf (Višňová u Frýdlantu). Hier trifft man wieder auf den alten Track und über den Königshainer Rücken zwischen Wittig und Lausitzer Neiße. Der höchste Punkt liegt auf der Staatsgrenze zwischen Tschechien im Osten und Polen im Westen (»Engelsdorfer Paß«; 313 m // Andělka).

Blick vom Königshainer Rücken Richtung Landeskrone (Görlitz).

Beim Abrollen ins Neiße-Tal kann man sich schon mental auf den Gegenanstieg vorbereiten. Laut Verkehrsschild geht es in Ostritz 15% den Galgenberg hinauf. Da heute auch noch Kopfwind herrscht drohe ich an dem Segment zu zerbrechen. Mit Hier bin ich bisher immer durchgefahren! quält man sich nach oben. Das nachfolgend offene Gelände um Bernstadt a. d. Eigen und der ungünstige Wind lassen sich langsam aber stetig abspuhlen. Bei Löbau eingangs des Bahnradweges gibt es eine letzte Pause, bevor es gemütlich auf die letzten zwanzig Kilometer geht. Den seichten Anstieg zum Halbauer Paß habe ich mich auch schon mehr geschunden – denk ich dabei fröhlich!

Von Westen her baut sich das angekündigte Gewitter auf und keine zehn Minuten bevor es losgeht bin ich drin.

In dem schlecht angelaufenen Frühjahr bin ich mit dem Erreichten sehr zufrieden. Endlich weiß ich, wo ich stehe und bergige Langstrecke geht noch.

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