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Harzreise III

In diesem Jahr fällt der 3.  Oktober für ArbeitnehmerInnen günstig auf einen Montag. Prognostiziertes warmes trockenes Wetter an dem langen Wochenende tun sein Übriges für einen spontanen Kurztrip mit Gelände-Rad-Aktivitäten im Harz.

Außerdem war da noch ein Versprechen von den Herbst-Wetterbedingungen beim Alpencross im Juli (»Wenn ich das hier überstehe sitze ich am 3.  Oktober im Biergarten auf dem Brocken – in kurz – bei jedem Wetter!«) . Mit der Idee bin ich nicht allein, die Harzregion ist nahezu ausgebucht, was Herbergen jedweder Preisklassen angeht. Es wird schon laut über die Variante Boofen nachgedacht, Schutzhütten gibt es ja zuhauf und Frost soll es nicht geben. Am Freitag-Mittag gelingt es mir doch noch, ein Hotelzimmer zu bekommen, in Bad Lauterberg im Harz.

 Tag 1 – Brocken-Schnellrunde

Die Anreise per Auto über A7 und B243 / B27 dauert obwohl ohne Stau vor dem Elbtunnel eine Stunde länger als geplant (Widererwarten reisen die anderen Kurzurlauber auch am Samstag.).

Der Check-in in dem Kurhotel geht schnell, 15:00 Uhr bin ich auf dem Rad und rechne noch mit fünf Stunden Tagslicht. Trotzdem ist Lichttechnik mit dabei, es ist Herbst, auch wenn es sich anfühlt, wie Sommer. Ziel ist das Erreichen des Brockengipfels vor Sonnenuntergang. Auf Straßen sind es bis Schierke am Brocken vom Hotel aus über zwanzig Kilometer, dazukommen die zehn Kilometer Brockenstraße. Offroad ist es etwas kürzer. Ich rechne mit Zeit zur Orientierung mit zwei bis drei Stunden. Das Ziel erscheint realistisch. Los geht’s durch den Ort hinauf zur Odertalsperre, die Straße führt linksherum, der Wanderweg rechtsherum über die Staumauer. Im Schatten ist der Boden feucht, ansonsten überall staubtrocken mit ein wenig herabgefallenem Laub bedeckt.

Odertalsperre, Blick von der Staumauer

Odertalsperre, Blick von der Staumauer

Eine Gruppe Mountainbiker kommt entgegen, sonst ist man allein im Wald, ganz anders als bei meinen sonstigen Harzreisen im Mai.

Südlich Braunlage wird die aus Bad Lauterberg kommende B27 überquert, parallel zur Höhenlinie geht es in nordwestlicher Richtung zum Braunlager Ortsteil Königskrug, wo die B4 gekreuzt wird. Nächster Orientierungspunkt ist der Dreieckige Pfahl. Ab hier geht es steil bergan über ein Stück des alten Kolonnenweges der ehemaligen innerdeutschen Grenze bis zum Betriebsbahnhof Goetheweg der Brockenbahn. Es ist schon relativ spät und so kann der 1991 eröffnete Neue Goetheweg Richtung Brockenplateau mit dem Bike passiert werden. Normalerweise ist es aufgrund der hohen Fußgängerfrequentierung mühsam, hier langzukommen.

Ein Trekkingradfahrer und ein Rennradfahrer quälen sich wenig später auf dem Brockenstraße zum Gipfel. Kurz vor 18:00 Uhr, wie geplant vor Sonnenuntergang, bin ich oben, nach und nach treffen die beiden Radfahrer und Wanderer ein, die dem Anschein nach die Nacht hier verbringen wollen. Das Thermometer am Brockenhaus zeigt noch 15°C, für einen Abend im Oktober an einem Ort mit alpinen klimatischen Bedingungen ungewöhnlich viel! Im Biergarten des Brockenwirts am Bahnhof Brocken sitzen noch Wanderer beim letzten Bier, der Ausschank ist aber pünktlich 18:00 Uhr geschlossen – also Abfahrt ohne Weißbier.

Auf dem Brocken-Plateau

Auf dem Brocken-Plateau

Der Rückweg führt mich wieder über den Goetheweg. Zwei Jungs mit Trekkingrädern ohne Helm ist meine Abfahrt zu langsam und sie schnicken vorbei. Mit etwas Abstand fahr ich hinterher und freu mich, mich nicht um das Freimachen des Weges kümmern zu müssen. Am oberen Ende des Kolonnenweges (Bf. Goetheweg) bleiben sie stehen und ich zieh vorbei.

Ab dem Dreieckigen Pfahl fahr ich über Oderbrück nach Oderteich (B4 und B242); vor der Talsperre Oderteich in den Waldweg entlang der Oder flußabwärts bis Oderhaus (Ortsteil von Sankt Andreasberg). Es ist mittlerweile finster und Zeit für die Lichttechnik am Rad. Das letzte Stück rollt es sich gut auf der B27 bis Bad Lauterberg. Vor der Rückkehr ins Hotel eß ich zu Abend im Jägerstuben mit gutbürgerlicher deutscher und Harzer Küche. Ein paar Leute sitzen noch im Biergarten, ansonsten ist hier wie in der ganzen Stadt nichts mehr los.

Track bei bikemap.net

[73,66 km | 3:32:56 h | 20,75 km/h | ca. 1.700 Hm]

Tag 2 – Brocken über Westharz

Ausgangspunkt der Tour ist wieder Bad Lauterberg. Am ehemaligen Bahnhof Bad Lauterberg der stillgelegten Odertalbahn ist der Einstieg ins Gebirge. Man fährt die Lutterstraße hinauf zum Ortsteil Kupferhütte und von da weiter bergan, immer den Schildern der Bike-Route folgend über den Acker nach Sieber. Wer schon gleich zu Beginn des Tages auf Klettern steht kann den Exkurs über den Großen Knollen (687 m) machen (entsprechender Beschilderung folgen).

Sieber ist ein kleines Straßendorf am namensgebenden Fluß, trotz der wenigen Nebenwege ist der Einstieg in den nächsten Höhenrücken nach Norden nicht einfach zu finden, da an der Hauptstraße keine Beschilderung vorhanden ist. Hat man den Weg erst einmal gefunden ist die Orientierung eindeutig, das nächste Etappenziel ist Altenau über die Magdeburger Hütte. Der Weg zur Hütte verläuft über die wellige Harzhochfläche relativ eben. Rechts und links ist eine Hochmoorfläche. Ein beachtlicher Anteil des Fichtenhochwaldes ist hier abgestorben und viel totes Holz steht bzw. liegt herum. Die Magdeburger Hütte ist eine hölzerne Schutzhütte mit zehneckiger Grundfläche. Sie wurde erst im Sommer 2011 neu aufgesetzt, nach dem die Vorgängerin baufällig geworden ist. Ich mach hier kurz eine Pause, genieße den Ausblick nach Südwesten und orientiere mich neu. Man kann die B242 hinab nach Altenaurollen, es gibt aber ca. 200 m abwärts der Hütte den Einstieg in den Roseweg, der wesentlich ruhiger ist.

Magdeburger Hütte bei Altenau

Magdeburger Hütte bei Altenau

Altenau wird von der Oker durchflossen, die nördlich des Ortes zur Okertalsperre aufgestaut wird. Am Einfluß der Oker in den Stausee führt der Weg nach Osten – anfangs etwas trailig – doch nach einem Kilometer über eine breite Piste zehn Kilometer bis Torfhaus das Kellwassertal hinauf. Am Ende wird der Weg immer steiler und es gibt wegen der Verblockung sogar eine kurze Schiebe-Passage. Auch hier gibt es eine flachere Umfahrmöglichkeit, doch dieses Mal will ich die Steigung.

Torfhaus ist wie immer bei schönem Wetter von hunderten Motorradfahrern und anderen Ausflüglern besucht. Ich mach eine Mittagspause in der Bavaria Alm direkt neben dem Nationalpark Infozentrum. Es gibt, wie der Name vermuten läßt, einen »… Querschnitt durch die alpenländische, gutbürgerliche Küche« (Zitat Alm Speisekarte). Ein Apfelstrudel, ein alkoholfreies Weizenbier und einen Pott Kaffee später fahr ich auf bekannten Wegen zur Eckertalsperre. An einer klassischen Fluß-Furt mitten im Wald hastet ein gar nicht nach Wandersleuten aussehendes Pärchen panisch beiseite, weil sie mit eine unfreiwilligen Dusche rechnen, die jedoch ausbleibt, weil die Wasserverdrängung des Bikes nicht so groß ausfällt, wie sie es einschätzen. Oberhalb der Eckertalsperre kann ich die Trinkflasche an einem Brunnen mit frischem Harzwasser füllen. Dann über die Staumauer, obligatorisches Foto und zum Scharfenstein und von da den Hirtenstieg hinauf auf den Brocken. Die Länge des fieses Kolonnenweges beträgt 3,8 km, klingt nicht weltbewegend, nimmt aber in Anbetracht der Steigung ca. vierzig Minuten in Anspruch. Sonst bin ich den von Ilsenburg kommenden Weg gefahren und man steigt nur2,8 km. Dieses Mal, wieder ohne Pause durchgefahren, brennen die Oberschenkel auf dem Brocken-Plateau und nach der Verpflegung mit Spaghetti & Tomatensoße (nach altüberliefertem DDR-Großküchen-Rezept) krampft es beim Aufstehen vom Tisch sogar. Sturzfrei schaff ich es die Treppe hinab zur Toilette und ohne Hilfe wieder hinauf.

Hirtenstieg zum Brocken

Hirtenstieg zum Brocken

Die Abfahrt geht über die Brockenstraße nach Schierke. Gleich am ersten Bahnübergang von oben beginnt die neue Asphaltdecke der Straße. Man hat beim Ausbau im Vergleich zum Mai einiges geschafft. Jetzt kann man auch wieder mit dem Rennrad auf den Brocken, ohne sein Material zu derbe zu belasten.

Von Schierke weiter hinab durch das Elendstal nach Elend, dann den Wanderweg nach Braunlage. Zuletzt ist dieser straßenbegleitend und eine reine Zweckverbindung. In Braunlage wieder wieder Orientierung, irgendwie möglichst gradlinig zur Odertalsperre. Am besten paßt der Wanderweg 30D, genau mittig zwischen den beiden Straßen, die Braunlage in südliche Richtung verlassen. Kurz vor dem markanten Punkt Schutzhütte Am Schweinepfahl kracht es links im Unterholz und eine Herde Hische – drei weibliche Tiere und ein Bulle hinterdrein– bricht zwanzig Meter vor mir aus dem Halbdunkel und überquert den Weg. So schnell, wie sie gekommen sind, sind sie meinem Blick auch wieder entschwunden. Zeit nun, den Scheinwerfer am Lenker aufzupflanzen.

Kurz nach Sonnenuntergang an der Odertalsperre

Kurz nach Sonnenuntergang an der Odertalsperre

Bis zur Odertalsperre ist es nicht mehr weit, die Dunkelheit ist vollends eingebrochen und ohne Licht säß ich ziemlich im dunkeln. Am Zeltplatz am Bootshafen wuseln noch ein paar Leute rum, ansonsten ist niemand mehr unterwegs.

Angekommen in Bad Lauterberg eß ich beim Italiener, gleich in der Nähe des Hotels. Bei dem milden Wetter natürlich wieder im Biergarten, man hält es auch nach 20:00 Uhr noch aus.

Track bei bikemap.net

[119,12 km | 6:41:44 h | 17,79 km/h]

Tag 3 – Torfhaus → Wernigerode → Brocken → Torfhaus

Brockengipfel (1.142 m)

Brockengipfel (1.142 m)

Am dritten Tag wird vor der Tour erst mal ein Ausgangspunkt gesucht, um am Abend direkt zurück nach N-Deutschland zu fahren. Sinnig ist der Parkplatz in Torfhaus direkt an der B4. Der Parkplatz ist schon voll, es findet sich aber noch ein Stellplatz am Straßenrand.

 Von Torfhaus geht es mit dem Rad über den Goetheweg Richtung Schierke. Bis Dreieckiger Pfahl ist viel los und um den Fußgängerverkehr nicht zu provozieren teilweise schieben angesagt. Da alles Richtung Brockengipfel marschiert ist die Abfahrt über den Sandbrink verhältnismäßig menschenleer. Ebenso das Elendstal von Schierke nach Elend.

 Erster Stopp ist an der Zillierbachtalsperre zwischen Drei Annen Hohne und Wernigerode. Der Wasserpegel des Kunstsees ist auffällig niedrig und gibt viel steinigen Strand frei.

Zellierbachtalsperre

Zellierbachtalsperre

 Gegen 14:00 Uhr erreiche ich Wernigerode und suche hier ein Restaurant mit Möglichkeit zum Draußensitzen. Bei 24°C und Sonnenschein ist alles gut besucht. Platz finde ich bei einem Italiener am Markt. Eine Pizza, alkoholfreies Weizenbier und Kaffee, dann geht’s weiter über den Harzer Hexenstieg nach Ilsenburg.

Wernigerode, Marktplatz

Wernigerode, Marktplatz

Von hier den Klassiker zum Brockengipfel über Ilsetal und Hirtenstieg. Auf halber Strecke halte ich noch mal an Stempels Buche: Trinkflasche auffüllen und eine Banane. Die Oberschenkel brennen auf den letzten Höhernmetern und oben gönnt man sich eine Suppe und noch ein Weißbier im Biergarten. Ein letztes Mal die Aussicht genießen, einmal auf dem 2,5 km langen Gipfel-Rundweg das Plateau umfahren und dann der Rückweg nach Torfhaus eingeschlagen.

Brocken-Massiv Südseite: Kolonnenweg an der ehemaligen innerdeutschen Grenze

Brocken-Massiv Südseite: Kolonnenweg an der ehemaligen innerdeutschen Grenze

Track bei bikemap.net

[70,68 km | 4:21:29 h | 16,21 km/h | ca. 1.600 Hm]


Die Harzreise II

Der freie Tag und das vorhergesagte sommerliche Wetter bieten sich an, in die Berge zu fahren. Mit dem Geländefahrrad im Gepäck bin ich in drei Stunden in Wernigerode.

Zehn Minuten aufsatteln im Parkhaus »Zentrum« in der Pfarrstraße und ab in die Spur auf dem Europa-Radweg R1 von Wernigerode bis Ilsenburg. Direkt hinter der Brücke über das Flüsschen Ilse beginnt der zwölf Kilometer lange Anstieg auf den Brocken. Knapp eintausend Höhenmeter gilt es zu überwinden. Im ersten Drittel ist der Anstieg noch relativ flach, mal links, mal rechts rauscht der Ilse-Bach, alter Mischwaldbestand bietet Schatten. Ab der Hälfte wird das Gelände offener und die Sonne drückt spürbar. Vor zwei Jahren gab es hier noch mehr hohen Fichtenbestand aber irgendwas hat für großflächiges Baumsterben wie in den 1980er Jahren gesorgt.

Das Ziel winkt in der Ferne & man ist nicht allein

Das Ziel winkt in der Ferne & man ist nicht allein

Am Abzweig Hermannsklippen entscheide ich mich wie immer für die Variante »Brocken / Steiler Anstieg 5,4 km«. Zwei Kilometer weiter mündet der Weg in den beliebten Hirtenstieg. Zur DDR-Grenzsicherung wurde der einstige Pfad mit Betongitterplatten belegt und zum Kolonnenweg ausgebaut. Die unbarmherzige Steilheit des Anstiegs bis jenseits der 25 Prozent Steigung lassen immer wieder einen ganz besonderen Erlebniswert aufkommen. Der Genuß auf den letzten 2,8 km dauert dieses Mal 26 Minuten und ich verfehle das ewige Ziel Brocken-Aufstieg ab Ilsenburg in unter einer Stunde um sieben Minuten.

Hirtenstieg kurz vor "oben"

Hirtenstieg kurz vor „oben“

Auf dem Brocken-Plateau (1.142 m) ist es brechend voll, Wanderer, Radfahrer und Menschen, die der Dampfzug hochtransportiert tummeln sich. Bei frischen zehn Grad gönn ich mir zur Stärkung im Biergarten eine Linsensuppe mit Wurst, ein alk-freies Weißbier und einen Kaffee.

Gipfel zwei den Tages ist der Wurmberg, mit 971 m der zweithöchste Berg des Harzes. Dazu geht es die Brockenstraße hinab bis kurz vor den Ortseingang Schierke und hier scharf rechts in die Sandbrinkstraße. Diese steigt stetig an bis zum Kreuzungspunkt am Dreieckigen Pfahl, einem alten Grenzstein aus Granit.

Anstieg Wurmberg: die Downhiller schieben lieber.

Anstieg Wurmberg: die Downhiller schieben lieber.

Wieder über einen Ex-Kolonnenweg geht es Richtung Wurmberg. Auch hier sind die letzten Höhenmeter wieder besonders Steil aber statt Platte ist der Untergrund auf den letzten paarhundert Metern loser Schotter. Der Biergarten der Berggaststätte ist auch hier gut besucht. Ich halt mich aber nicht länger auf und fahre über den Asphaltweg hinab nach Braunlage. Im Ortszentrum findet sich bald der Einstieg in einen blaumarkierten Wanderweg zum Silberteich . Am Ostufer fahre ich nach Norden bis zur Talsperre Oderteich.

Oderbrücktalsperre, wenig Wasser und Waldsterben am andern Ufer.

Oderbrücktalsperre, wenig Wasser und Waldsterben am andern Ufer.

Der Pegel des Sees ist niedrig gefallen und einige Leute liegen auf dem so entstandenen Strand. Durch das sonst überflutete Gebiet zieht sich ein schmaler Weg am Westufer des Sees entlang. Irgendwann wird dieser immer schmaler und läuft sich zwischen umgestürzten Bäumen aus. Bis zum offiziellen Wanderweg am Westufer sind so einige hundert Meter Tragepassage durch den Urwald zu bewältigen. Leider verläuft der Wanderweg aufgrund des sumpfigen Untergrundes über Bohlen und Stege, ist als Bike-Trail nicht zuletzt wegen der Fußgänger nicht optimal. Drei Kilometer später mündet der Pfad bei Torfhaus auf die Bundesstraße 4.

Das Café am Infozentrum Harz in Torfhaus ist wieder Anlaufpunkt hunderter Motorradfahrer. Ich orientiere mich nach der Eckertalsperre und über breite Waldwege ist die Staumauer bald erreicht. Auch hier ist der Pegel niedrig, am Ufer großflächig Fichtenwald abgestorben.

Blick über die Eckertalsperre Richtung Brocken

Blick über die Eckertalsperre Richtung Brocken

Über Großes Sandtal, Ilsetal, Plessenburg und Bielsteinchaussee geht es zurück nach Wernigerode. Bei der Abfahrt Bielsteinchaussee gewinne ich neue Freunde aus der Kategorie aktiver Teilnehmer Herrenpartie, die sich vom Geräusch Mountainbike auf Schotterweg geweckt panisch umdrehen und per Hechstsprung aus dem Weg bringen. Flüche und Drohgebärden werden durch die nachgezogene Staubfahne wirkungsvoll gedämpft, ich hoffe die Jungs im Tal nicht wieder zu sehen.

Folgender Klimax des Ausweichverhaltens läßt sich dabei in Abhängigkeit der Fahrgeschwindigkeit beobachten:
– ab 30 km / h wird man bemerkt
– ab 40 km / h treten sie respektvoll beiseite
– ab 50 km / h springen sie panisch rüber
– ab 60 km / h panischer Sprung unter Mitreißen des benachbarten Weggefährten

Eine Bratwurst bei einem Fest auf dem historischen Marktplatz und ein richtiges Essen beim Lieblingsitaliener runden den Tag kulinarisch ab.

Den Track gibt es hier.

Statistik:
106,02 km | ca. 2.100 Hm | 6:10:53 h

Die Harzreise

Hier und da liest man, daß der Brockenberg im Harz »seit Menschengedenken« die Leute magisch anzieht. Ich weiß nicht was es ist, ich find es einfach schön da und es ist die einzige Möglichkeit im Norden paar Höhenmeter zu machen. An diesem Wochenende sieht die Wettervorhersage gut aus (knapp zwanzig Grad, am Nachmittag Schauer möglich) und ich richte mir den Sonntag spontan für einen Tagesausflug im Harz ein. Eine Tour fürs Rennrad ist schnell zusammengestellt.

Der Ausgangspunkt ist Wernigerode, im Zentrum befinden sich zwei Parkhäuser, die mit dem Parkleitsystem der Stadt schnell gefunden sind. Morgens halb neun sind schon 15°C, ich trau dem aber nicht und nehme lieber die warme und winddichte Softshell-Jacke auf die Tour, um beim alpinen Charakter des Hochharzes keine böse Überraschung zu erleben (Es ist Anfang April!). Eine Runde um den Parkhausblock und über den historischen Marktplatz – noch ist alles ruhig, kein touristisches Treiben – und dann ab auf den Track, knapp vierzig Kilometer flach bis hügelig parallel zum Haupthöhenzug nach Westen über Ilsenburg und Bad Harzburg bis Goslar. Die Luft riecht vertraut nach Frühling und Waldlandschaft.

Wernigerode, Marktplatz und Rathaus

Wernigerode, Marktplatz und Rathaus

 

Zwischen dem Oker-Tal und Goslar führt der Track über einen asphaltierten Waldweg, der von Frostschäden, angespülten Sedimenten und Hinterlassenschaften der Forstbewirtschaftung teils sehr off-roadig ist. Ein Pärchen Wanderer versichert mir, der Weg ist bis Goslar durchgehend asphaltiert.

Goslar ist eine schöne Stadt mit viel Fachwerk und engen Gassen aber zu vielen parkenden Autos. Es ist Vormittag, das Personal der Gasthäuser hat Tische und Stühle raus gestellt und Urlauber sitzen rum. Eine Gruppe Asiaten läuft umher und fotografiert klischeehaft alles. Ich mach nur paar Bin-dagewesen-Fotos am Marktplatz, frühstücke einen Energieriegel und freu mich auf die erste Steigung, elf von siebzehn Kilometer, hinauf nach Clausthal-Zellerfeld auf ca. 600 m. ü. d. M.

Mit noch frischen Beinen, frohen Mutes und völliger Selbstüberschätzung nehm den Berg in Angriff und denk oben, ob das mal weiter so gut weiter geht. Hier in Clausthal ist nichts los, ein paar Motor-Biker lungern an einer Tankstelle rum und trinken Kaffee. Rasant geht es wieder hinab nach Oker, vorbei an der Oker-Talsperre. An einem kleinen Café direkt an der Staumauer mit Werbung für Steaks vom Grill sitzen ebenfalls einige Ausflügler und freuen sich des schönen Wetters.

Die Oker-Talsperre

Die Oker-Talsperre

 

 

Wieder unten in der Ortschaft Oker auf ca. 250 m. ü. d. M. geht es ein Stück des Weges vom Morgen zurück nach Bad Harzburg. Es ist zu warm für die Jacke aber zusammengerollt kann ich sie am CamelBak befestigen. In Bad Harzburg besorge ich an einer Tankstelle neues Wasser und ein kleine Cola, um die zweite Steigung, neun Kilometer von Bad Harzburg hoch nach Torfhaus zu überstehen. Auf der Uhr stehen über neunzig Kilometer und nicht nur das Schild bei 700 m. ü. d. M sagt Herzlich willkommen im Nationalpark Harz – die Beine antworten es ebenfalls. Noch ca. einhundert Höhenmeter und ich erreiche das Nationalpark Besucherzentrum auf der Passhöhe von Torfhaus. Auf dem Parkplatz stehen hunderte Motorräder und der Biergarten ist voller Ausflügler. Den beim Anstieg verworfenen Plan, auch noch auf den Brocken zu fahren Stelle ich beim Anblick des Berges von hier aus noch mal zu Disposition und Rolle irgendwie erholt hinab nach Braunlage auf 550 m. ü. d. M. Auf der Uhr einer Bank steht die Anzeige auf kurz vor vierzehn Uhr die Anfahrt auf den Brocken wird wieder festes Ziel des Tages. Maximal bis sechzehn Uhr bin ich oben.

Auf dem Weg von Braunlage über Elend nach Schierke am Brocken wird die Wetterprognose Realität und es fängt an zu regnen. Ich erwische den ersten Schauer nur so halb und kriege mehr Feuchtigkeit von der nassen Straße unten als vom Himmel ab. Die Schuhe sind fast durch aber obenrum ist noch alles trocken. In Schierke wird klar, daß die Bauarbeiten am Belag der Brockenstraße noch nicht abgeschlossen sind. Vor etwa zwei Jahren haben die begonnen und ich hab insgeheim gehofft … leider vergebens. Am Ortsausgang Schierke – zehn Kilometer bis auf den Gipfel – ist die Straße trocken. Noch ein kurzer Stopp für einen Riegel, der fünfte des Tages, langsam hab ich es satt, einen großen Schluck Iso und einen kleinen Cola, und mit dem Vers Keine weiße Fahne, kein fauler Kompromiss // es gibt nur eine Regel, sie heißt: alles oder nichts! im Kopf geht es bergan. Ich weiß nicht, wie oft ich den Brocken schon gefahren bin, aber immer bequem MTB, nie mit dem Rennrad und noch nie mit über 120 Kilometer in den Beinen und auch noch nie so zeitig im Jahr. Die ersten drei Kilometer gehen locker, noch einer weiter hinter einem Bahnübergang über die Brockenbahn endet der sanierte Teil der Straße. Ganz gleichmäßig und mit größter Vorsicht nehm ich die fiesen Rampen. Am zweiten Bahnübergang muß ich anhalten, weil ein Zug von oben durch gedampft kommt. Ohne Krämpfe geht es wieder in Tritt und im Höhenrausch gehen auch die letzten zweihundert Höhenmeter vorbei. Endlich angekommen und wieder einen Punkt abgehakt!

Ich war da und es war anstrengend

Ich war da und es war anstrengend

 

 

Auf dem Plateau ist nicht viel los, es ist noch nicht halb vier und die meisten Wanderer und Bahnreisenden sind wohl schon wieder runter vom Berg oder es ist noch zu früh in der Saison, keine Ahnung … ich freu mich auf was zum Essen, Kaffee, ein alkoholfreies Weißbier. Leider hat das auf Massenabfertigung ausgelegte und treffenderweise so bezeichnete Bergrestaurant »Touristensaal« mit Verweis auf eine Großveranstaltung und die Alternativen Café Hexenklause im Brockenhotel oder Bahnhofsgaststätte geschlossen. Als abgekämpfter Biker ist mir das Café zu fein und ich zieh die Bahnhofskneipe vor.

Das Brockenhotel

Das Brockenhotel

 

 

Ein Teller Nudeln mit Tomatensoße und Wurst sowie ein Erdinger und ein Kaffee bilden hier die energetische Grundlage für die letzten dreißig Kilometer zurück nach Wernigerode. Während des Essens berichten einströmende Wanderer vom beginnenden Regen. Ich denke, die steile Abfahrt auf der schlechten Straße und dann noch naß … aber es könnte ja auch schneien, also halb so schlimm und noch sind plus 13°C.

Die Reste vom Winter

Die Reste vom Winter

Draußen befindet sich jetzt eine Gruppe von vier oder fünf ebenfalls Rennradfahrern und schaut nach der Abfahrt des nächsten Zuges. Ich mach mich derweil auf eigenen Rädern zur Abfahrt. Es ist ziemlich ungemütlich und ich bereue die winddichte Softshell-Jacke kein Stück. Mit fallenden Höhenmetern steigt die Temperatur, aber auch die Intensität des Regens. Da eh alles durch ist spielt es aber keine Rolle mehr. Kurz vor Drei Annen Hohne kommt von hinten die Gruppe Rennradfahrer vom Brocken, fährt ein Stück mit mir mit und zieht dann das Tempo an, ich freu mich, im Windschatten bequem weiter zu kommen. Nach kurzer Zeit müssen sie das Tempo rausnehmen, weil einer ihrer Kollegen verloren gegangen ist, ich fahr die letzten zehn Kilometer bis Wernigerode alleine weiter und sehe sie nie wieder …

 

Fazit des Tages: sehr schöne Tour, sehr intensiv und um es abzuschließen ein passendes Zitat:

»Keiner ist so verrückt, daß er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht.« – Heinrich Heine Die Harzreise

Statistik:

160,06 km | ca. 2.400 Hm | 6:49:53 h | 23,43 km/h

Wetter: 10 – 22 °C, Vormittag Sonne, Nachmittag bedeckt, Schauer

3 Powerbar Ride Riegel
1 Powerbar Natural Energy Riegel
2 Allos Fruchtschnitten Riegel
1 Teller Nudeln / Tomatensoße / Wurst
2,25 Liter Xenofit Blutorange
2 Liter Mineralwasser
0,5 Liter Cola
0,5 Liter Erdinger Weißbier alkoholfrei
0,3 Liter Kaffee

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