Mein Team-Kollege hatte keine Zeit für den fünften NordCup-RM, also fahre ich allein nach Hamburg.

Gestartet wird wegen der hohen Teilnehmerzahl und Zivilisationsdichte in Hamburg wieder in Blöcken. Ich kann gerade noch im ersten Block starten. Hier sortiere ich mich weiter vorne ein, um den Anschluß an die Spitze nicht zu verpassen. Tags davor und nachts hat es mehrere kräftige Schauer gegeben, die Straßen sind überall sehr naß, in den schnell gefahrenen Kurven ist aufzupassen, keinen Abflug zu riskieren.

Die Schleife für die Marathon-Fahrer ist von den Streckenplanern an den Anfang der Route gelegt, deswegen sind die ersten beiden Etappen ungewöhnlich lang. Nach 47 km erreiche ich mit der ersten Gruppe, ca. zwanzig Personen, Kontrollpunkt 1 in Kollow, Schnitt bis hier 35,8. Man hält sich nicht lange auf, Pause eine Minute und die meisten kommen mit der Gruppe mit.

Wenig später trifft es einen Fahrer von FC St. Pauli Radsport mit einem Plattfuß, seine Vereinskollegen warten und helfen. Diese Gruppe bestimmte vorher maßgeblich das Tempo, mit deren Aussteigen wird es 2 – 3 km / h ruhiger. Bis KP 2 bei KM 94 fahre ich in der dezimierten ersten Gruppe weiter.

Der Kontrollpunkt auf dem Hof eines ehemaligen Gasthauses in Lünen ist bei unserer Ankunft überfüllt mit RTF-Fahrern. Um keine Zeit zu verlieren greife ich nach dem Stempeln nur ein Stück Brot und rolle weiter, um am Ortsausgang eine P-Pause verrichten zu können. Zwei Leute aus der Gruppe fahren auch in diese Richtung. Leider hat der Veranstalter die Strecke geändert, sie führt nicht wie in den Vorjahren in die von mir eingeschlagene Richtung. Die Ansage dazu am Start war akustisch nicht zu hören und die Schilder am KP 2 sind verdeckt.

Der Ärger über die verpaßte erste Gruppe ist groß und mit einem der anderen Falschfahrer steige ich der Gruppe nach, obwohl sie längst außer Sichtweite ist. Nach gut 10 km überzeugt mich der Andere, langsamer zu fahren und auf eine Gruppe von hinten zu warten. Aus der Vergangenheit weiß ich, wenn man 100 km mit der ersten Gruppe gefahren ist holt einen die zweite Gruppe nicht gleich ein, weil sie um die 5 km / h langsamer ist und an den Kontrollen mehr Zeit läßt, als die erste Gruppe. Auf 100 km summiert sich da einiges auf. Ich fahre trotzdem langsamer und hoffe insgeheim auf die St. Pauli Leute mit der Panne. Bis KP 3 (Kühlsen 1 / 131 km) fahren wir zu dritt, ein RTF-Fahrer auf der 150er Runde schloß sich uns an. Der andere Marathon-Fahrer sieht gegen Ende der Etappe nicht mehr so frisch aus.

An KP 3 holen mich tatsächlich die St. Paulis ein und ich fahre mit den Piraten weiter. Wir sind acht, ohne den anderen Marathon-Fahrer. In Kühlsen will ich schnell einen Kaffee abstauben, lerne dabei aber, der Kaffee ist nur für Helfer (Zitat, freundlicher Helfer: „Ich fahre seit zwanzig Jahren RTF und habe noch nie Kaffee bekommen!“). Na ja, ich habe in vier Jahren Radmarathons schon bessere Erfahrungen mit Kaffeetrinken gemacht, als der nette Herr.

Die zweite Gruppe fühlt sich an wie die erste und die Schleife zurück nach Kühlsen vergeht schnell. Vor uns tauchen immer wieder mal Leute aus der ersten Gruppe auf, halten bei uns aber nicht bzw. nicht lange mit. Ich schätze, die erste Gruppe ist auf unter zehn Personen geschrumpft.

Am KP 4 (Kühlsen 2 / 169 km) kippe ich drei Becher Cola hinter und dazu noch ein Pb-Gel, denn die Verpflegung ist ziemlich abgegrast von den RTF-Fahrern. Normalerweise ist die Cola hier nur für die Teilnehmer, die die Warmverpflegung gebucht haben. Mich störte das wenig.

Die St. Paulis finden zum Glück längere Pausen gut und es bleibt ausreichend Zeit, die Trinkflaschen nachzufüllen. In der ersten Gruppe mit Pausenzeiten unter einer Minute ist das immer schwierig.

Mit der Abfahrt in Kühlsen ziehen finstere Wolken auf und es sieht nach Gewitter aus. 10 km später beehrt uns auch ein kräftiger Schauer. Für 15 km heißt es fahren im Wasser, die Beine fühlen sich dabei wegen des „Temperatursturzes“ nicht gut an. Kurzzeitig glaube ich, die Schaltung geht nicht, muß aber feststellen, schon im größten Gang zu fahren und deswegen nicht höher schalten zu können. Wir haben wohl Rückenwind und fahren mit 45 km / h dahin.

Als der Regen aufhört und die Straßen abtrocknen fühlen sich die Beine wieder gut an. Wenig später an KP 5 (Todendorf / 199 km) gibt es auf einmal Cola, wohl die Reste von der Warmverpflegung. Ab hier folgen 22 km, die sich gut anfühlen, ich kann mich sogar noch mehrmals an der Führungsarbeit beteiligen.

Im Ziel höre ich von den Leuten der ersten Gruppe, daß sie auch nicht viel eher reingekommen sind. Sie sitzen gerade bei einer Bratwurst und ERDINGER alkoholfrei. Ich tue dasselbe – Hunger ist wichtiger als Duschen.

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