»Typisch für das Isergebirge ist sein sehr raues Klima. […] Lange und hartnäckige Winter charakterisieren das Gebiet.«

Diese Eigenschaft ließ die erste Tour in diesem Jahr ins Isergebirge scheitern. Die Expedition blieb zehn Kilometer vor dem Ziel auf 800 m Höhe im Schnee stecken. Ruhelos ob dieser offenen Aufgabe steht unbedingt ein zweiter Versuch an.

Morgendliche Stimmung bei Großdehsa.

Als Tageshöchsttemperatur ist mehr als 20 °C angesagt, zu dem volle Sonnenscheindauer. Für Mitte Oktober sehr komfortabel. Einzig der prognostizierte Böhmische Wind wird herausfordernd.

Noch bevor ein erster heller Streifen am Horizont die nächtliche Dunkelheit durchbrechen mag geht’s los. Kurs Südosten, frontal in den Wind. Auf den nächsten 100 km wird sich daran nichts ändern.

Wie beim ersten Versuch ist für die Hinfahrt die nördliche Verbindung Cunewalde ➾ Löbau ➾ Bernstadt a. d. Eigen ➾ Ostritz gewählt, erste kurze Pause ist am »Engelsdorfer Paß (tschechisch Andělka; 313 m)«. Diese Bezeichnung ist inoffiziell und beschreibt den Höhenzug zwischen dem Tal der Lausitzer Neiße und der Wittig (tschechisch Smědá).

Goldener Oktober im Isergebirgsvorland.

Ins Wittig-Tal hinab läuft es auf einer kurzen flowigen Serpentinen-Strecke und gegenüber seicht bergan. Etwas knackiger ist der letzte Höhenzug vor Neustadt an der Tafelfichte, der Heinersdorfer Rücken (Jindřichovický hřeben), benannt nach Heinersdorf an der Tafelfichte (Jindřichovice pod Smrkem). An der Südflanke des kleinen Gebirgszuges eröffnet sich der Blick auf die Tafelfichte und im Tal davor Neustadt.

Blick vom Heinersdorfer Rücken (Isergebirgsvorland) zur Tafelfichte (Isergebirge).

Vor der Abfahrt nach Neustadt und dem Anstieg zur Tafelfichte gibt’s noch eine kurze Rast an einem schönen Aussichtspunkt zwischen Waldrand und Stadtrand.

Neustadt an der Tafelfichte durchfährt sich direkt, ohne abbiegen gelangt man an den rechteckigen Marktplatz und darüber hinaus ins Gebirge (Straße Husova).

Der Anstieg zur Tafelfichte bzw. dem Scheitelpunkt an der Südflanke verläuft wieder über den Radweg 3018. Einige Luftverwirbelungen auf der windabgewandten Seite der Tafelfichte begünstigen die Fahrt bergan, erst im Bereich der Felsformationen Tišina (873 m) greift der Böhmische Wind wieder an.

Kreuzung mit der »Himmelsleiter«, knapp hundert Höhenmeter unterhalb des Gipfels und höchster mit dem Rennrad erreichbarer Punkt.

Die Paßhöhe hat keinen Namen und außer dem Wegweiser mit Höhenangabe 913 m ist hier nichts, ich fahre daher gleich weiter und halte an der nächsten Kreuzung. Der Ort ist als Předěl ((Wasser-)Scheide (Nordsee / Ostsee)) recht bekannt. Im Frühjahr entschied ich mich an dieser Stelle, die Tour nicht wie geplant fort-, sondern auf Vernunft zu setzen und schnell bzw. sicher aus dem Gebirge herauszukommen.

Schutzhütte an der Předěl. (Zwei der fünf abgehenden Wege sind asphaltiert.)

Schutzhütte an der Předěl. (Zwei der fünf abgehenden Wege sind asphaltiert.)

Zehn Kilometer weiter durch mittelalten Fichtenwald und noch immer gegen den Böhmischen Wind wird das Dörfchen Klein Iser (Jizerka; 860 m) erreicht. Völlig der Zeit und jeder Hektik entrückt liegt der Flecken dernieder, vereinzelte Holzhäuschen zwischen Wiesen und sumpfigen Flächen. Direkt am Weg liegt das legendäre Misthaus von Gustav Ginzel, der hier einst kostenlos Wanderern, Bergsteigern und Oppositionellen ein Quartier bot und im Gegenzug Mitbringsel aller Welt sammelte und ausstellte.

Das Misthaus.

Das Misthaus.

Am Misthaus ist die Hälfte der Tour geschafft, einzige Einkehrmöglichkeit hier scheint die Horská chata Pešákovna zu sein. Mir ist aber mehr nach dem Biergarten am Wittighaus und mit Rückenwind(!) geht es die ca. fünf Kilometer bis ebendahin.

Das Wittighaus (Horská chata Smědava; 847 m) ist u. a. wegen der leckeren Hefeklöße mit Heidelbeerfüllung beliebt, dazu frischgezapftes Kozel. In der Gaststube ist kein Platz mehr frei, draußen noch ca. die Hälfte und bekanntermaßen gilt ja:

Solange die Cafés Tische und Stühle draußen stehen haben ist der Sommer nicht vorbei.

Wittighaus // Horská chata Smědava.

Wittighaus // Horská chata Smědava.

Nach ausreichender Pause wird die Rückreise angegangen. Dabei gibt es nichts Unbekanntes: downhill bis Friedland i. B. und weiter nach Zittau, hier mit ordentlich Rückenwind über die alte B 178 bis Löbau und mit fiesem Seitenwind über Cunewalde nach Hause.

STRAVA-Aktivität