Beim Surfen auf der Seite des Radsportverbandes Sachsen zufällig entdeckt: der 3. TUJA Grenzland Radmarathon am 08. September 2013 in Auerbach (Vogtland) – 200 km durch das Vogtland und das tschechische und deutsche Erzgebirge. Strecke und Höhenprofil sehen interessant aus, etwas milder als der Erztaler im Osterzgebirge. Wetterlich wird ein schöner Spätsommertag prognostiziert. Die Online-Anmeldung ist noch einen Tag offen, daher kurz entschlossen schnell angemeldet.

Bis ins Vogtland sind es gut zwei Stunden Fahrweg, Start in Auerbach ist um acht. Der Wecker klingelt um vier, nach dreieinhalb Stunden Schlaf. Dennoch verläuft das Morgen-Zeremoniell routiniert: es ist nicht das erste Event, für das ich Sonntagmorgen aufstehen muß und auch nicht das erste mit vorangegangener Hochzeitsfeier eines Freundes. Fünf Uhr siebzehn Abfahrt zu Hause, oben sternenklarer Himmel, am Horizont zeichnet sich aber schon als helles Band der neue Tag ab.

Der Startort liegt relativ hoch gelegen im Waldpark Grünheide, die entspannte Zieleinfahrt wird also eine klassische Bergankunft – Leiden bis zum letzten Meter. Die Wege am Veranstaltungsort sind sehr kurz gehalten, Parkplatz, Startnummernausgabe, WC und Startblock, alles in einer Minute zu erlaufen. Schnell ist alles erledigt, Startnummer abholen, Fahrrad auspacken und Fritz-Kola trinken.

Acht Uhr geht’s los, hinter dem Führungsfahrzeug auf der schmalen Straße hinab ins Zentrum von Auerbach. Als das Führungsfahrzeug das Feld freigibt bleibt das Tempo immer noch überraschend moderat. Die Anstrengung liegt gefühlt irgendwo zwischen Regeneration und GA1. Es mag daran liegen, daß es die meiste Zeit leicht bergab geht und der Wind aus Südost direkt von hinten kommt. Ab Reichenbach / Vgtl. dreht sich die Fahrtrichtung auf Seitenwind und ab der Talsperre Pöhl heißt es Gegenwind für achzig Kilometer. Die Gruppe zerstreut sich etwas und ich versuche meine Erfahrungen aus jahrelangem Kämpfen am Wind in Norddeutschland sinnvoll umzusetzen. Relativ geschlossen erreichen wir den ersten Kontrollpunkt in Möschwitz, KM 57. Es ist ein sehr reichhaltiges Kuchen-Büffet ausgebaut, offensichtlich haben die Familien der Veranstalter den ganzen Samstag gebacken. Ich ziehe mir drei Stücken Pflaumenkuchen (mit Streusel!) rein und fahre schon mal langsam vor. In der Regel wird man ja nach wenigen Kilometern eingeholt. Aber irgendwie kommt das Feld nicht. Das bedeutet im eigenen Tempo gegen den Wind hinauf auf den Erzgebirgskamm und bei Schöneck / Vgtl. hinab nach Klingenthal. Plötzlich kommt von hinten das Begleitfahrzeug, durchs offene Fenster ruft der Fahrer irgendwas von größerer Gruppe hinter mir. Okay, dann haben sie mich ja gleich. Doch es passiert nichts.

Bei KM 100 in Kraslice (deutsch Graslitz) auf tschechischem Gebiet ist Kontrollpunkt 2. Ich frage die Betreuer, ob ich der erste hier bin und sie meinen, es wären drei Einzelfahrer kurz vor mir. Ich nehme noch ein Stück Pflaumenkuchen, einen Becher Cola und eine Banane für den Weg. Beim Losfahren erwischt mich dann die erste Gruppe. Jetzt möchte ich aber nicht mehr warten und fahre alleine weiter. Stetig schraubt es sich nach oben, meist über rauen Asphalt und wo das Gelände offen ist gegen den Wind … und … es zeigt sich plötzlich, wo der Ziegenbock den Honig hat: Einbruch vom feinsten bei KM 140!

Bis zum nächsten Kontrollpunkt sind es noch rund zehn Kilometer und weil der auf der höchsten Erhebung Sachsens – dem Fichtelberg (1.214 m) liegt – kein Rollen. Jetzt heißt es, sich irgendwie über die deutsche Grenze retten. Zwischenzeitlich überholt mich die in viele Kleinstgruppen zerstreute ehemalige erste Gruppe. Natürlich hasse ich mich für den unsinnigen Alleinritt. Kurze Pause, einen halben Riegel und ein paar Schluck Wasser aus dem CamelBak mute ich meinem Magen zu. Das Begleitfahrzeug kommt vorbei, der Fahrer fragt, ob ich was zu trinken brauche – Nein, alles dabei! Wie weit ist es bis zur Grenze? – Kann nicht mehr weit sein – Zwei, Kilometer? … fünf? – Eher fünf! – Okay, Danke! Ich fahre weiter, der Wald lichtet sich und ich erkenne den Grenzübergang und dahinter den finalen Anstieg zum Berg. Der Begleitwagen kommt zurück, der Fahrer ruft raus: noch fünf Kilometer … bis zum Gipfel! Am Ende sind es fünfeinhalb und ich eigentlich am Ende.

Kontrollpunkt 3 auf dem Fichtelberg, 1.214 m, KM 148 von 207

Kontrollpunkt 3 auf dem Fichtelberg, 1.214 m, KM 148 von 207

Wie die letzten fünfzig bis sechzig Kilometer und ca. 400 Höhenmeter bewältig werden sollen weiß ich noch nicht. Ich trinke einen halben Liter Xenofit, esse noch einen halben Riegel und lege mich in die Wiese um zu warten, daß das Mineralgemisch greift. Nach einer unbestimmten Zeit, vielleicht zehn Minuten, oder zwanzig … fahre ich weiter. Die Beine krampfen massiv und ich hoffe, auf den folgenden Abfahrtskilometern lockert sich das. Und tatsächlich, auf den 18 Kilometer bergab nach Johanngeorgenstadt kommt das Leben und die Motivation zurück Ich kann mit fünf Leuten aus der ehemals ersten Gruppe mithalten und wir erreichen gemeinsam den letzten Kontrollpunkt bei KM 182 in Wildenthal.

Außer dem letzten berüchtigten Anstieg über zwölf Kilometer ab dem Tal der Zwickauer Mulde bzw. der Talsperre Eibenstock zum Ziel sollte nichts mehr passieren. Bei KM 200 setzt der für abends versprochene Regen ein, der stört aber jetzt nicht mehr. Endlich im Ziel!

Rückmeldung, Auto packen, duschen, Massage, Essen! Die Massage ist ein Traum, hat sich direkt nach dem Lauf-Marathon in Hamburg schon als richtig erwiesen.

207,67 km | 7:55:36 h | 26,19 Ø | 2.800 Hm