»No never no more Frühlingsmarathon«! So die Devise drei Wochen vor dem Lauf in Hamburg! Während bei der normalen Marathon-Vorbereitung zwölf Wochen vor dem Event ca. dreimal die Woche mittlere und längere Distanzen gelaufen werden, ist im Winter 2012-13, der sich bis in die erste Aprilwoche unbeeindruckt des Kalenders hält, Schneeschaufeln und Skifahren als körperliche Ertüchtigung im Freien angesagt.

Wirkliche Trainingsfortschritte beim Laufen stellen sich keine ein, nach einem Lauf bei Frost ist mindestens drei Tage Laufpause, um sich von allen Schmerzen zu erholen, nicht auch noch eine Erkältung zu riskieren oder ganz kaputt zugehen. Eine Woche vor dem Wettkampf der letzte Trainingslauf, 23,5 km. Insgesamt besteht die dünne Vorbereitung aus fünf Läufen über 20 KM, zweimal Halbmarathon und dreimal 23,5 km, davor und dazwischen einige kurze Läufe zwischen sechs und 13 KM. Kurzum: die Vorbereitung ist ein Witz! Ich vergesse die bei der Registrierung im November 2012 angegebene Zielzeit von 03h39, stufe mir das Event von »sportlich-ergebnisorientiert« auf »Abenteuer / Himmelfahrtskommando« runter setze ankommen ist alles als neues Ziel.

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Freitag fahre ich nach Geesthacht, hier ist die Unterkunft für die nächsten beiden Tage. Das ***-Hotel kostet mit Frühstück ca. die Hälfte einer gleichwertigen Herberge in der City (ohne Frühstück) und man nächtigt wesentlich ruhiger. Bis zum Park-and-Ride Parkhaus am S-Bahnhof Hamburg-Bergedorf ist es nicht weit, der Zug bringt einen ohne Umstieg direkt zum Veranstaltungsort. Samstag Vormittag teste ich die Zeiten für diese Strecke. Paßt alles. Beim Abholen der Startunterlagen in den Messehallen erlebt man das gewohnte Gewusel von mehreren tausend Menschen, draußen hassgeladene Stimmung stolzer Eltern um den besten Standort an der Strecke, damit ihre Kinder beim Marathon-Zehntel-Lauf beobachtet, angefeuert, fotografiert und gefilmt werden können. Brötchen 1 mit Bismarck-Hering und Brötchen 2 mit Pfeffermakrele schmeckt derweil, der Kaffee auch.

Nachher noch eine Spazierrunde duch die Stadt, wieder mit der S-Bahn raus aufs Land und hängenbleiben auf einen zweiten Kaffee in einer kleine Bar am Elbestrand von Geesthacht.

Am Wettkampftag ist alles wie immer, duschen, Zeug einpacken, Frühstück, Abreise am Hotel kurz vor sieben. S-Bahn geht kurz nach sieben. Der Wetterbericht hat sich nicht geirrt: 0°C im Schatten, etwas Wind. Tagsüber soll es auf zwölf hochgehen, daher nur nicht zu viel Zeug anziehen, unten kurz, oben lang, zwei Schichten.

In der City an der S-Bahnstation Sternschanze ist Schatten und die null Grad spiegeln sich in den fröstelnden Gestalten wieder, die Richtung Läuferbereich strömen. Das Gewusel vom Vortag ist dichter, die Stimmung aber ruhiger. JedeR geht vor dem Event irgendwie in sich und erledigt das Wesentliche, essen, trinken, umziehen, dutzende vor der Kleiderbeutelabgabe, hunderte vor jedem Dixi-Klo.

Zwanzig Minuten vor dem Start suche ich meinen Startblock, dieses Jahr E wie Emil. Bevor der Start erfolgt gedenken alle in einer Schweigeminute den Opfern des Bombenanschlages auf den Boston-Marathon am Montag der Woche.

Dann geht’s los, das Tempo meines Startblockes gefällt mir, ich komm bequem mit und bleibe nicht im Verkehr stecken. Seit diesem Jahr gibt es alle fünf Kilometer einen Messpunkt für die Zwischenzeiten, nicht alle zehn, wie bisher. Meine Durchlaufzeiten sind immer einige Minuten unter der nächsten halben Stunde. Halbmarathon dann unter 01h50, hochgerechnet ist das gar nicht schlecht für eine Zeit unter vier Stunden. Doch die Kilometer ab 34 zeigen das wahre Gesicht des Laufmarathons und noch ist nichts entschieden. Bei KM 30 gibt es erstmals Cola, ich bleibe stehen und kippe in alter Radmarathoni Manier drei Becher hinter, dazu eine halbe Banane. Zu spät kommt die Einsicht, mensch, du bist zu Fuß hier, hoffentlich kommt nicht gleich das Kotzen. Es kam nicht, jedenfalls nicht bei mir. Vorbei gehen die fiesen 30er Kilometer, am Streckenrand häufen sich wieder die Gestrandeten auf den Massagebänken doch das Publikum treibt einen weiter. Das ist Hamburg, dafür liebe ich diesen Lauf! KM 38, kurz ein stechender Krampf in der linken Wade, oha, jetzt vorsichtig weiter, bloß keinen Rhythmuswechsel. Bei KM 40 steht die Zeit erst bei etwas über 3h30, kann es gar nicht fassen, das könnte eine 3h45er Gesamtzeit werden! Liebe Wade, keine Krämpfe mehr, wir müssen das jetzt gemeinsam schaffen! Gar nicht so einfach, wo doch ab KM 41 ein kurzer (für Hamburger Verhältnisse) Berg beginnt. Dann endlich der Zieleinlauf über den roten Teppich, Zeit irgendwas um die 3h45. Unglaublich, nach dem Training! Zielfoto, Bier, duschen in der Massendusche und warten auf einen freien Platz bei der Massage. Es dauert ca. eine halbe Stunde aber soviel Zeit ist und die Massage muß sein. Das Checken des Ergebnisses im Internet geht leider wegen Überlastung des Servers nicht.

Die Massage ist ein Traum, danach noch ein Krombacher Weißbier alkoholfrei und Snacks im Läuferbereich, bevor es irgendwann zur Bahn Richtung Bergedorf geht und mit dem Auto nach Hause. Zwischendurch kommt eine Mail aufs Händy, Gratulation, 3h44! Immer noch unglaublich, auch zu Hause noch.

Ergebnis (Screenshot von der Website)

Ergebnis (Screenshot von der Website)

Zwischenzeiten (Screenshot von der Website)

Zwischenzeiten (Screenshot von der Website)