oder: …nischt wie ’raus nach Wannsee!

Berlin-Spandau war um 2010 herum regelmäßig Ziel großen Radsports. Die aktuelle Berlin-Fahrt ist rein touristisch und eine schon länger offene Einladung zum Besuch bei Freunden in Spandau. Ein Radroutenplaner auf Basis von Google-Kartenmaterial zeigt dafür ca. 225 km an und orientiert sich grob am Verlauf der Bundestraße 96. Dieser Vorschlag wird mit Priorität auf Verkehrsberuhigung und trotzdem direkt angepaßt. Im Ergebnis wird die Besiedlung im Süden Berlins und das Zentrum komplett umfahren. Meine Route nimmt am Berliner Ring Kurs auf Potsdam und den Großen Wannsee und verläuft ab Strandbad Wannsee östlich der Havel durch den Grunewald bis Spandau. Markante Wegpunkte sind Bautzen, Wittichenau, Hoyerswerda, Großräschen, Calau, Luckau, Golßen, Baruth / Mark, Zossen, Großbeeren, Teltow, Berlin-Wannsee, Berlin-Spandau.

Soweit die Theorie.

Praktisch ist am geplanten Reisetag das Hoch »Wolfgang« wetterbestimmend, Wolfgang läßt heiße Luft aus Nordafrika nach Ostdeutschland strömen und erzeugt die erste Hitzewelle des Sommers. Der DWD rechnet mit Temperaturwerten von 36 oder 37°C im Osten.

In der Umsetzung bedeutet das, möglichst früh loszufahren, um in er morgendlichen Kühle möglichst viel Strecke zu machen. Der Sonnenaufgang ist um 04:48 Uhr, zwei Minuten später komme ich los. Frisch läuft es über Bautzen und auf unbefahrenen Landstraßen parallel westlich der B96 über Neschwitz und Wittichenau nach Hoyerswerda. In den Niederungen stehen vereinzelt Nebelschwaden über Wiesen und Bächen. Ab Hoyerswerda erwacht die Geschäftigkeit des Alltags, Menschen auf dem Weg zur Arbeit und zu ihren Berufungen. Ich entschwinde dem über die Seenradwege des Lausitzer Seenlands. Hier erwachen gerade die Camper und genießen ein Bad im See oder die angenehme Temperatur für eine Lauf,- Rad- oder Skate-Runde um einen der Seen. Am Ostufer des Sedlitzer Sees findet meine erste kurze Pause statt, mehr als sechzig Kilometer und so ein gutes Viertel sind im Sack. Weiter geht’s mit relativ viel Schatten durch kühle Wälder und schnurgerade Alleenstraßen und mit Rückenwind Richtung Calau. Hier nach knapp einhundert Kilometer die zweite Pause in einem kleinen Park am Springteich.

Im Schatten ist es noch okay, außerhalb bewahrheiten sich die Prognosen des heißen Sommertages. Aber solange man rollt hat man Fahrtwind zur Kühlung und zum Glück waren die Tage davor eher kühl, heißt der Erdboden ist noch nicht von der Wärme »aufgeladen«. Im weiteren Streckenverlauf lobe ich mir das Land Brandenburg und den Schatten eines jeden einzelnen der Alleenbäume.

Nächster Stopp zum Wassernachkaufen in einem REWE-Markt in Golßen, Kilometer 140. Es ist warm, ungefähr sechs Stunden im Sattel, nach vorne keine einhundert Kilometer mehr, wenn es so gut weiter läuft noch vier Stunden. Alles gut. Rauf aufs Rad und weiter. Die Straße (jetzt ist es die B96 aber was anderes macht hier keinen Sinn) ist relativ stark befahren, wo es einen gibt wird der Radweg genutzt. Durchs Baruther Urstromtal bis Zossen, in Zossen nächster Stopp im kleinen Park »Am Kietz« im Zentrum, Kilometer 170. Kurz orientieren und weiter, nächster Orientierungspunkt ist Rangsdorf am Berliner Ring (A 10) hier muß irgendwo links Richtung Potsdam abgebogen werden, sonst ging es tatsächlich ins Berliner Zentrum. Die Uhr zeigt Kilometer 190 und so langsam wünscht sich der Körper die Zielankunft. Laut Planung sind es noch maximal vierzig Kilometer. Zur gnadenlosen Hitze kommt jetzt Seitenwind hinzu, da der Kurs mehr gen Westen dreht, es läuft nicht mehr  so rund. Noch ein kurzer Halt in Großbeeren in der Nähe von Bahnhof und Wasserskianlage. Wie gerne würde ich jetzt hier unter die Dusche gehen!

Dann wenig später, Kilometer 215, Land Berlin, Strandbad Wannsee, psychologisches Pre-Finish. Die Menschen strömen zu Hunderten von der S-Bahn-Haltestelle zum See. Nach einem Stück Schotterweg finde ich Anschluß an die Havelchaussee gen Norden. Durch den  Grunewald ist es hügeliger, als erwartet, aber eben Wald und Schatten. Ein letzter Halt auf ein kaltes alkoholfreies Weißbier und zum Frischmachen im Restaurant »Waldhaus an der Havelchaussee«. Das Bier vorsichtig langsam genossen, so daß es drinnen bleibt. Der freundliche Wirt erklärt kurz den Rest des Weges bis Spandau und daß es nicht mehr weit sei. Etwas runtergekühlt und erfrischt geht es auf die letzten zehn Kilometer. Stößenseebrücke, Heerstraße, Bahnhof Spandau, Altstadt Spandau, Neustadt Spandau … endlich angekommen, die Uhr zeigt ziemlich genau 230 Kilometer, Fahrzeit über alles rund elf Stunden. Mit dem Verlauf der Strecke bin ich sehr zufrieden, könnte man so wieder fahren, es hätte aber nicht so heiß sein müssen.

230,91 k | 1.000 Hm | 8:24:28 h | 27,46 Ø