Einzel- / Team-Zeitfahren Hamburg → Berlin 2012 (13. Okt.)

[13.10.2012] Einzel- / Team-Zeitfahren Hamburg → Berlin 2012Startnummer (Wer findet den Fehler?)

»Hamburg ⇛ Berlin ist ja immer so eine viehische Quälerei!«, »Fünfmal in Folge gefahren reicht!«, »Es soll ja etwas besonderes bleiben, nicht inflationär werden!« und so weiter und so fort besiegelte in 2011 die Nicht-Teilnahme an Hamburg ⇛ Berlin 2012. Wochen vor dem Termin ist die auf 300 Personen begrenzte Veranstaltung zum Glück ausgebucht und nach dem Radmarathon in Rostock bin ich froh, HH⇒B nicht in die Jahresplanung aufgenommen zu haben. So weit so gut, im September ist das Wetter sehr sommerlich und einige länger Touren finden statt. Nach der letzten Ausfahrt am Sonntag vor dem Termin kommen die Zweifel: »Eigentlich ist die Hamburg-Berlin-Härte jetzt wieder da – sowohl physisch, als auch psychisch, wäre eine Schande, das Event jetzt verstreichen zu lassen.«, »Ein Radsportjahr ohne HH⇒B als krönenden Abschluß ist wie Dublin ohne Guinness!« etc. pp. Im Forum bei den Veranstaltern bekunde ich daher mein Interesse an einem Startplatz aus zweiter Hand, irgendjemand kann ja aus irgendwelchen Gründen immer nicht. Stunden später hab ich eine Mail mit der Aufforderung zur formlosen Registrierung und den Bankdaten des Vereins im Postfach. Also schnell angemeldet und dann erst mal gucken, wie das Wetter wird: Dauerregen genau an dem Samstag, davor und danach leicht besser. Perfekt! Aber wenn ich mich schon um einen Startplatz auf Sonderwegen bemühe und dann absage, aus Wettergründen, wie unwürdig wäre das denn?! In den nächsten Tagen verbessert sich die Prognose.

05:30, P+R HH-Bergedorf: Aufrüsten zur Fahrt zum Startort

05:30, P+R HH-Bergedorf: Aufrüsten zur Fahrt zum Startort

Samstag 2:40 Uhr ist die Nacht vorbei, alles einpacken, Autofahrt nach Hamburg-Bergedorf, der große Regen fällt zwischen Freitag 15:00 und Samstag 05:00 Uhr, die Anreise mit dem Rad und dem Gepäck für Berlin vom Parkhaus am Bahnhof HH-Bergedorf zum Startpunkt an der Elbe in HH-Altengamme verläuft unter sternenklarem Himmel aber auf klitschnasser Straße. Am Startort ist es brechend voll, nach Startnummernaus- und Gepäckabgabe tümmel ich mich in das Gasthaus, ein Brötchen und ein Kaffee für das Frühstück draußen im Stehen.

6:39 Uhr: Aufruf zum Start. Die zurechtgelegte Taktik für dieses Jahr ist, ein echtes Einzel-Zeitfahren zu absolvieren, das heißt, alleine im eigenen Tempo fahren, kein Mitgehen in wahnsinnig schnellen Drückerkolonnen und am Kontrollpunkt Dömitzer Brücke nach einem Drittel der Strecke schon in den Seilen hängen.

»Niedersächsische Elbtalaue« kurz vor Sonnenaufgang

»Niedersächsische Elbtalaue« kurz vor Sonnenaufgang

Im ersten Streckenabschnitt geht die Strategie auf, man ist sowieso fast alleine mit ein Paar frühzeitigen Einzelstartern und Pärchen, die ganz langsam fahren. Nach Sonnenaufgang schießt ein Dreier-Team an mir vorbei und der Mann an der Spitze ruft zu, ich soll mich denen doch anschließen. Knapp vierzig auf der Uhr ist nicht so meine Geschwindigkeit für 250 Kilometer vor dem Ziel und ich laß sie nach 500 Meter Geschwindigkeit antesten fahren. Bei Alt Garge kennen sie die Abkürzung nicht und überholen mich wenig später erneut. Okay, HH⇒B ist ein taktisches Rennen und genaue Ortskenntnis wichtiger als Raserei.

Am Höhenzug vor Hitzacker gibt es mit der Konkurrenz Scharmützel um die Bergwertung, insgesamt vier Rampen gilt es hier zu bewältigen, die alle eine Länge haben, die man mit Gewalt nicht mehr überbrücken kann, besonders die letzte hat es in sich. Hier verreckt dann schließlich auch ein schwerer Typ, den ich an den andern drein bergan kassieren konnte, der aber aufgrund einem Mehr an Masse bergab punkten konnte.

09:30, Elbe bei Damnatz, LK Lüchow-Dannenberg

09:30, Elbe bei Damnatz, LK Lüchow-Dannenberg

Bis zum Kontroll- und Versorgungspunkt in Dömitz sind es jetzt noch zwanzig Kilometer, ich nehme die schönere aber etwas längere Variante direkt an der Elbe, statt die kürzesten Weg über Dannenberg.

Dömitzer Brücke

09:40, Dömitzer Brücke

Ankunft am Kontrollpunkt in Dömitz um 09:42 Uhr, hier geht es recht schnell: ein Käff’chen, zwei Schnittchen und weiter. Sonst wurde hier immer ausgiebig ein zweites Frühstück zelebriert.

09:42, Kontrolle Dömitz: Parkplatz an der B195 mit Denkmal an die Erinnerung der alten Dömitzer Straßenbrücke über die Elbe.

09:42, Kontrolle Dömitz: Parkplatz an der B191 / B195 mit Denkmal an die Erinnerung der alten Dömitzer Straßenbrücke über die Elbe.

Östlich Dömitz stoße ich auf eine Dreiergruppe, die sich aus einem Einzelfahrer und einem Zweier-Team schon weit vor Dömitz gebildet hat. Sie fahren ungefähr meinen Rhythmus und ich schließe mich ihnen an. Zwanzig Kilometer weiter fällt einer aus dem Zweier-Team aus, während vorne das Tempo unvermindert weiter gefahren wird. Ich fang den Mann an der Spitze ein und teile mit, daß sein Kollege einen Platten hat. Die Reparatur im schattigen Kiefernwald abzuwarten hab ich keine Lust und fahre alleine weiter.

Als nächstes kommt der psychologisch bedeutsame Punkt Wittenberge, der ungefähr die Hälfte der Strecke markiert. Hier treffe ich auf eine größere Gruppe, die aus einer Seitenstraße auf meinen Track stößt. Durch das Stadtgebiet von Wittenberge hindurch fahre ich mit, verlasse sie aber hinter dem Ortsausgang, um den Schleichweg entlang des Gnevsdorfer Vorfluter im Mündungsbereich der Havel in die Elbe zu nutzen.

Die Mündung des Gnevsdorfer Vorfluters in die Elbe (hinten im Bild).

Die Mündung des Gnevsdorfer Vorfluters in die Elbe (hinten im Bild).

13:30, Deichweg am Gnevsdorfer Vorfluter

13:30, Deichweg am Gnevsdorfer Vorfluter

Kurze Streckenabschnitte an Elbe und Havel sind zwar unbefestigt, doch es ist heute trocken genug, um die landschaftlich sehr reizvolle und wesentlich kürzere Strecke zu nutzen. In der Hansestadt Havelberg trifft man wieder auf den Main-Track, außerdem kennzeichnet die Stadt den psychologischen Punkt ab hier nur noch 100 Kilometer.

12:56, Hansestadt Havelberg: Havel-Brücke und Teil der Altstadt

12:56, Hansestadt Havelberg: Havel-Brücke und Teil der Altstadt

Östlich Havelberg, im Hintergrund: der Havelberger Dom

Östlich Havelberg, im Hintergrund: der Havelberger Dom (© Burkhard Sielaff, Audax-Club-S-H)

Nächster bedeutsamer Ort ist Rhinow, neben der Tatache, 200 Kilometer geschafft zu haben weiß man hier um einen kleinen Dorfladen, worin sich viele für das letzte Stück versorgen. Ich decke mich nur mit dem Nötigsten ein: Banane, Erdinger alkoholfrei, Cola, Packung mit Mini-Salami. Das Bier und die Hälfte der Mini-Salami in den Hals, Cola und Banane in die Tasche und weiter Richtung Berlin!

Rhinow: nur das Beste, denn von nichts kommt nichts!

13:50, Rhinow: nur das Beste, denn von nichts kommt nichts!

Der Tacho zeigt durchschnittlich immer noch einen guten 30er Schnitt wie zu Beginn des Tages an, persönliches Befinden liegt zwischen Okay und besser denn je (nach über 250 Kilometer alleine gegen den stetig auffrischenden Wind von schräg vorne). Einen kurzen Halt vor Nauen gönne ich mir zum Essen der Banane und Auffüllen der Trinkfalsche bzw. dem Umfüllen von dem Wasser aus dem CamelBak in die Flasche unter Anreicherung dessen mit Getränkepulver.

An einem geschlossenen Bahnübergang bei Falkensee trifft mich Thomas aus Lübeck mit seinem Team-Kollegen. Sie haben ein Navi dabei und so geht die Fahrt durch Spandau ziemlich entspannt auf kürzestem Wege. Gemeinsam erreichen wir das Wassersportheim in Alt Gatow um 16:58 Uhr, ich entspannt wie nie und obendrein noch in persönlicher Bestzeit. Der 30er Schnitt wurde auf den letzten Metern im Stadtverkehr knapp zerstört.

16:58, Berlin-Spandau, Alt Gatow: Finisher-Foto

16:58, Berlin-Spandau, Alt Gatow: Finisher-Foto (© Burkhard Sielaff, Audax-Club-S-H)

Rückmeldung, Bratwurst, Tag auswerten, dann der Hammer: mein Rucksack mit den Wechselklamotten und Duschzeug ist weg. Jemand hat ihn mit seinem verwechselt und wie sich schnell herausstellt sitzt er schon im Zug nach Hamburg. Zum Glück nach Hamburg und nach telefonischer Absprache vereinbaren wir ein Treffen mit Rücktausch in HH-Bergedorf am Bahnsteig. Für mich heißt das erstmal nur ungeduscht nach Hamburg zurück. Im Bahnhof Berlin-Spandau, sechs Kilometer von Gatow entfernt, kaufe ich ein Zug-Ticket für den EuroCity nach Hamburg-Altona sowie Brötchen, Käff’chen und Wasser, bevor es zum Zug geht. Im Sessel kommt die Müdigkeit …

In Bergedorf klappt auch alles mit dem Rucksack. Rad einpacken. Rückreise quer durch die Stadt und über die Autobahn nach Norden, Ankunft im Regen!

Fazit des Tages:

  1. Ergebnis: 284,11 k | 9:29:14 h (brutto: 10:19 h, Platz 51 von 109) | 29,94 Ø
  2. Zum ersten Mal ein nahezu echtes Einzelzeitfahren mit Navigation ohne Hilfsmittel
  3. wieder eine grandiose Veranstaltung mit bester Versorgung der Teilnehmerinnen & Teilnehmer (Wo sonst gibt es an der Kontrollstelle heißen Kaffee?!).
  4. Ja, es wäre schade gewesen, dies nicht erleben zu dürfen und aus der Sache komme ich jetzt wohl gar nicht mehr raus.

Presse-Clipping

Berichte und Fotos vom Veranstalter und der anderen Teilnehmer sind gesammelt auf der Seite des Audax-Club S-H zusammen getragen.

Tourenvorschlag 1 Variante nur feste Wege (289 km)


Größere Kartenansicht

Tourenvorschlag 2 Variante naturnah (273 km)


Teil 1 (Hamburg bis Havelland) auf einer größeren Karte anzeigen


Teil 2 (Havelland und West-Berlin) auf einer größeren Karte anzeigen

Die Variante 2 ist zweifelslos die schönere, enthält aber im Bereich zwischen Wittenberge und Havelberg mehrere Kilometer Schotterweg auf dem Elbdeich, der bei nassem Wetter nicht zu empfehlen ist.

(Technischer Schnickschnack: Karte 2 wurde mittels bikemap.net erstellt und zur besseren Verwendung auf Android-Smartphones in Google-Maps importiert. Für die Zweiteilung ist Google verantwortlich. Wer statt Android auf angebissene Äpfel steht, kann die Original-Source von hier in der passenden Bikemap-App verwenden.)

2 Kommentare

  1. jan2sch

    22. Oktober 2012 um 09:52 Uhr

    Und noch ein Bild aus dem Ziel-Bereich, obligatorisches Bratwurst-Essen nach der Tour.
    Bratwurst-Essen im Ziel (Foto von Thomas)

  2. jan2sch

    22. Oktober 2012 um 09:17 Uhr

    Ein Bericht aus Veranstalter-Sicht ist jetzt hier zu lesen: http://www.audaxclub-sh.de/node/493

Kommentar verfassen

© 2024 bike ✯ vélo

!Est. since MMVII